Geschichte

Der Pflanze gleich hat sich diese Stätte der Erziehung aus einem winzigen Samenkorn Stufe um Stufe emporgebildet, um mit der Eröffnung ihre erste Frucht abzugeben an die Kinder, die hier in dieser Schule ein Stück Lebensweg mit ihren Erziehern zusammen gehen werden.“

Mit diesen Worten lud der Rudolf Steiner Schulverein Thurgau zur Schuleröffnungsfeier am 19. April 1980 in sein neues Schulgebäude in der Bahnhofstrasse in Kreuzlingen. „Es war eine sagenhafte Stimmung“, erinnert sich das Gründungsmitglied und der langjährige Lehrer an der Rudolf Steiner Schule Kreuzlingen, Kurt Bräutigam. Ein wichtiger Tag in der Geschichte unserer Schule – allerdings nicht der erste: der Schuleröffnung gingen viele bedeutende Ereignisse voraus.



Die Wurzeln: Ein Kreis bildet sich

Bereits 1975 fanden mehrere Familien gleicher Gesinnung zusammen, deren Vision es war, in der Ostschweiz eine Rudolf Steiner Schule zu gründen – darunter Bauern, Mitarbeiter des Ekkarthofes und aus dem Ausland zurück gekehrte Thurgauer. Gemeinsam bildeten sie den „Initiativkreis Rudolf Steiner-Schule Region Thurgau“ und trafen sich in der Folge regelmässig monatlich in der Bibliothek des Ekkarthofes. Der Menschenkreis wurde schnell grösser und grösser, die Fragen und die Suche nach Antworten konkreter.


Der Spross: Gründung des Schulvereins und der erste Basar

Mit der Gründung des „Rudolf Steiner Schulvereins Thurgau“ am 6. November 1976 und den damit verbundenen Feierlichkeiten trat der Initiativkreis erstmals an die Öffentlichkeit. Schon am nächsten Tag, am 7. November 1976, öffnete im katholischen Gemeindehaus in Kreuzlingen der „Gründungsbazar“ seine Tore – damals wie heute ein grosser Erfolg. Von Beginn an unterschied sich der von Rosmarie Ackermann initiierte Basar in seiner liebevollen Gestaltung, der familiären Atmosphäre und einmaligen Qualität von allen bis dahin bestehenden Veranstaltungen. Diese einzigartige Handschrift trägt der Basar bis heute. In der Folge fanden Vorträge und Studienabende statt, Schülerarbeiten wurden ausgestellt.



Der Keimling: Kindergarteneröffnung und die Suche nach einem passenden Standort

Im Frühling des Jahres 1978 folgte ein weiterer grosser Schritt: Der erste Waldorfkindergarten in Kreuzlingen mit damals einer Kindergärtnerin (Bernadette Wetzel) wurde im Châlet an der Bärenstrasse eröffnet. Durch diese Entwicklung vorangetrieben nahm im September desselben Jahres ein Kreis von Lehrern seine Arbeit auf. Zuvor war Kurt Bräutigam vom Schulverein mit der Bildung des Gründungslehrerkollegiums beauftragt worden. Dieses sollte die Verantwortung für die pädagogische Vorbereitung und die spätere Führung der Schule in selbständiger Tätigkeit übernehmen.

 

Damit wurde auch die Frage nach einem geeigneten Gebäude immer mehr zum drängenden Thema. Lange galten Weinfelden und Kreuzlingen als mögliche Standorte der neuen Rudolf Steiner Schule. Doch während den Verhandlungen des damaligen Präsidenten des Rudolf Steiner Schulvereins Thurgau, Jakob Ackermann, wurde immer deutlicher: In Kreuzlingen wird die neue Schule entstehen.

Schliesslich fand sich die perfekte Lösung. Die Strickwarenfabrik Wieler in der Bahnhofstrasse in Kreuzlingen sollte altersbedingt aufgegeben werden. Die Idee, eine Schule aus einer Fabrik entstehen zu lassen, war für Kurt Bräutigam „wunderbar! Dort wurde gearbeitet und wir wollten auch arbeiten.“ Und tatsächlich mit Geschick beim Verhandeln, einem Gönner und Glück ging das Anwesen in die Hände des Vereins über – gerade noch rechtzeitig vor der Eröffnung der Schule drei Monate später.

Mit dem Standort Kreuzlingen rückte die Schule direkt an die Grenze zu Deutschland und wurde zum ersten grenzübergreifenden Projekt seiner Art – damals keine Selbstverständlichkeit und eine Besonderheit, die das gemeinsame Lernen an unserer Schule bis heute prägt.

Wachstum: aus der Strickwarenfabrik wird eine Schule

Wie wird aus einer Strickwarenfabrik eine Schule? In den ersten Jahren war der Einsatz der Eltern gefragt. Mit grosser Hingabe verwandelten zahlreiche helfende Hände das Gebäude in ein Schulhaus. In der ersten Etappe wurden vier Klassenzimmer, das Lehrerzimmer und Nebenräume für den Einsatz fertiggestellt. Jedes Jahr sollte ein neuer Klassenraum entstehen. Säulen im grossen Saal mussten weichen, dafür sollten neue Träger den Raum auffangen. Es folgten weitere Projekte wie der Neubau des Treppenhauses (die Holztreppe musste ersetzt werden), das Anheben des Flachdaches, um auch dort Klassenräume einrichten zu können, das Auffangen des Gebäudes auf der Südseite mit Unmengen an Beton.


Die erste Frucht: Eröffnung der Schule 1980

Im Frühjahr 1980 war es endlich soweit: Die Rudolf Steiner Schule Kreuzlingen Konstanz wurde mit 50 Kindern eröffnet. Zu Beginn gab es die Klassen 1, 2 und 3/4, drei Klassenlehrer sowie einen Lehrer für die Fremdsprachen Englisch und Französisch, die wie bei der ersten Waldorfschule in Stuttgart (1919 gegründet) von Anfang an wichtiger Lehrinhalt ab der ersten Klasse waren und sind. Es wurde parallel gearbeitet: Im grossen Saal der Schule erfüllten die Maschinen die letzten Aufträge, während die Schüler*innen bereits im Unterricht sassen. Schon im Oktober konnten die ersten Schüler*innen der Rudolf Steier Schule bei der offiziellen Einweihungsfeier mit ihren Darbietungen fast 300 Menschen begeistern.

Aus der Idee heraus, die Schüler*innen möglichst vielfältig zu bilden, um ihnen alle Möglichkeiten für eine spätere Entscheidung zu eröffnen, wie sie selbst in die Welt eingreifen und diese verändern wollen, waren zahlreiche Projekte und Praktika von Beginn an Teil des Schulgeschehens. So gibt es unter anderem bis heute in der 9. Klasse ein dreiwöchiges Landwirtschaftspraktikum und Musikprojekte in Kooperation mit anderen Schulen, es gab Eseltrekking, Alpenüberquerungen von Kreuzlingen nach Genf und das Trigonometrie-Projekt der Vermessung eines Stausees, das für das Kraftwerk notwendige Daten hervorbrachte und damit die Selbstwirksamkeit der Schüler*innen besonders in den Vordergrund stellte.

Weiteres Wachstum, weitere Früchte: Oberstufe und neue Angebote für Kleinkinder

1982 konnte auch der Kindergarten ins neue Schulhaus umziehen. Aufgrund der starken Nachfrage wurde zusätzlich eine zweite Kindergartengruppe im Pavillion auf dem Gelände eröffnet. 1985 begann der Aufbau der Oberstufe (Klassen 9-12), 1988 konnte der Lehrplan erstmals bis in die 11. Klasse verwirklicht werden.

Mit der Weiterentwicklung der Gesellschaft und deren Bedürfnissen kristallisierte sich auch immer mehr der Bedarf nach einem umfassenderen Betreuungsangebot für jüngere Kinder heraus. So entstand 1998 die Spielgruppe, im Januar 2005 die Eltern-Kind-Gruppe und 2015 wurde das Konzept des Horts, wie er bis heute besteht, als Nachmittagsbetreuung ins Schulangebot mit aufgenommen, zuvor gab es seit 2005 immer wieder unterschiedliche Betreuungsangebote für den Nachmittag. Bereits 2009 war ein zweites Kindergartenhaus dazu erworben worden – alles ganz nach dem weiteren Wortlaut der Einladung zur Schuleröffnungsfeier 1980:


Jeder lebendige Schulorganismus muss unaufhörlich sich in tätiger Metamorphose befinden und bereit sein, in aller Bescheidenheit aus dem Stadium des Keimens den langen und mühevollen – aber notwendigen – Weg des Reifens immer wieder neu auf sich zu nehmen.“

„Die Stimmung war sagenhaft, eine richtige Pionierstimmung.
Es war wie bei der Geburt eines Kindes.“

Kurt Bräutigam, Gründungsmitglied und ehemaliger Lehrer der RSSK

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